Streuobstwiesen und Obstbaumalleen sind ein wichtiger Bestandteil der Thüringer Kulturlandschaft. Da diese Bewirtschaftungsform unter den heutigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kaum noch tragfähig ist, ist ein deutlicher Rückgang der Bestände zu verzeichnen. Die vorhandenen Flächen und Straßenbegleitpflanzungen befinden sich häufig in einem vernachlässigten Zustand, wodurch Alterungsprozesse der Gehölze beschleunigt werden und Ertrag und Vitalität abnehmen.
Die sich verändernden klimatischen Bedingungen mit immer häufiger auftretenden Witterungsextremen stellen eine besondere Herausforderung für Obstbestände dar. Aus Sicht des Naturschutzes und der Landschaftspflege besteht jedoch nach wie vor großes Interesse an der Pflege und Erhaltung von Streuobstwiesen und Obstbaumalleen. Aber auch in der Gesellschaft ist ein wachsendes Interesse an der lokalen Produktion von Lebensmitteln und regionaler Marktentwicklung zu verzeichnen. Immer mehr Streuobstprodukte wie Säfte und Erfrischungsgetränke werden wiederentdeckt und erfreuen sich großer Beliebtheit.
Im Rahmen des Projektes „Klimawandel mit Obstbäumen begegnen – Lebensräume erhalten und verbinden“ sollen Streuobstbestände in den Stadtgebieten von Jena und Gera revitalisiert und saniert werden. Ziel ist es, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln den Pflegerückstand der Bestände aufzuholen, um so die weitere Pflege und Bewirtschaftung zu erleichtern und zu fördern. Darüber hinaus wird bei Nachpflanzungen darauf geachtet, dass klimaangepasste Arten und Sorten gepflanzt werden, um die Widerstandsfähigkeit der Biotope zu stärken. Es werden gemeinsam Pflegekonzepte für die weitere Bewirtschaftung entwickelt umso langfristig Lebensräume für Flora und Fauna zu erhalten. Unterstützt wird dies zusätzlich durch das Anbringen von unterschiedlichen Nistkästen.
Wir legen Wert darauf, dass die Flächen auch nach der Projektlaufzeit weiter genutzt und gepflegt werden. Dazu werden bei Bedarf engagierte Menschen, die diese Verantwortung übernehmen, bei der Fortbildung im Bereich Streuobstpflege und Obstbaumschnitt unterstützt. Die lokale Bevölkerung soll im Rahmen des Projektes über das Thema Streuobst informiert und sensibilisiert werden, dafür sind verschiedenen Veranstaltungen und Informationsschilder geplant.
Wir wollen Obstbestände zukunftsfähig gestalten. Dafür brauchen wir gepflegte Bäume mit guter Vitalität. Eine fachgerechte Pflege trägt wesentlich dazu bei. Aber auch Neupflanzungen in bestehenden Beständen mit gezielter Sorten- und Artenauswahl. Diese müssen bestmöglich an die aktuellen und zukünftigen Wetterextreme und Veränderungen angepasst sein. Hier wollen wir in Zusammenarbeit mit den Eigentümer*innen und/oder Bewirtschafter*innen eine geeignete, klimaangepasste und robuste Baumauswahl treffen, um die Existenz der Bestände auch zukünftig zu sichern. Damit Streuobstwiesen und Obstbaumalleen auch in Zukunft noch ein Teil unserer Kulturlandschaft bleiben und weiterhin Lebensraum für viele Arten bieten.
Streuobstwiesen gehören zur Kulturlandschaft Thüringens – doch ihr Bestand ist bedroht. Das Wissen um die richtige Pflege ist verloren gegangen und es fehlt das Geld, diese Arbeit zu bezahlen. Nur noch in Ausnahmefällen werden Streuobstwiesen ökonomisch rentabel betrieben. So vergreisen die Bäume, der Ertrag und die Fruchtqualität sinken. Schlussendlich erreichen viele dieser ungepflegte Bäume kein hohes Alter, obwohl just diese Altbäume sehr zum hohen ökologischen Wert beitragen könnten. In Thüringen, startete im Jahr 2021 unser Projekt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Auf 29 Flächen, in elf Landkrisen und mit einer Gesamtflächen von 20 Hektar ging es in diesem Projekt ganz praktisch um die Erfassung, Bewertung und Sanierung von alten Streuobstbeständen. Dazu arbeiteten wir Hand in Hand mit Flächeneigentümer:innen und Streuobstverwerter:innen. Ein besonderes Augenmerk lag auf Flächen, für die eine langfristige Pflege bereits gesichert waren, wo wir die Verantwortlichen mit einer punktuellen Hilfe sinnvoll unterstützten und auf diese Weise langfristig Streuobstwiesen und ihre Nutzung erhalten konnten!
Zuerst haben wir geeignete Flächen anhand anhand spezifischer Kriterien ausgewählt und ihre Bäume kartiert. Wir kategorisierten die Bäume dabei nach den Vorhaben des Thüringer Handlungskonzeptes in Erziehungs-, Umstellungs-, Erhaltungs-, Verjüngungs- und Entlastungsschnitt. Auf diese Weise wurde auch die Vitalität, das jeweilige Pflegeziel und die Pflegemaßnahme bestimmt.
Im Zuge dieses Projektes haben wir etwa 3600 Bäume kartiert und 1500 Bäume bewertet. Obwohl ein Großteil der Bäume klare Zeichen von Vitalität hat (etwa 80% der Bäume) so sind doch etwa ein Drittel aller Bäume in einem so fortgeschrittenen Alter und so schlechten Zustand, dass nur noch Entlastungsschnitte in Frage kamen. Entlastungsschnitte sollten verhindern, dass die Bäume frühzeitig auseinander brechen. Sie verzögern das Absterben eines Baumes, haben aber nicht mehr zum Ziel, gesunde und produktive Kronen aufzubauen oder zu erhalten.
Die Gründe für den schlechten Zustand vieler Streuobstbäume sind vielfältig. Zum einen ist da der Befall mit Schädlingen: die Laubholzmistel breitet sich in Apfelbäume aus und profitiert von mangelnder Baumpflege und milden Wintern. Der schwarze Rindenbrand und der Obstbaumsplintholzkäfer profitieren vom Trockenstress der Bäume, der sich über die Dürre der letzten Jahre angesammelt hat. Außerdem haben fast 70% aller Bäume, die wir sehen, erhebliche Wunden an den Stämmen. Sie sind die Folge von Anfahrschäden, Verbiss oder unsachgemäßer Pflege und bieten ein Einfallstor für die Holzfäule, die in vielen Fällen dazu führt, das ein Baum schlussendlich umkippt.
Neben der Altbaumpflege war es besonders wichtig, neue Obstbäume zu pflanzen. Aus dem reichen Schatz der Obstarten und -sorten versuchten wir dabei genau die Bäume ausfindig zu machen, die den Anliegen vor Ort gerecht werden: Soll es ein früher oder später Apfel sein? Welche Krankheiten könnten auf dieser Fläche ein Problem werden, welche Resistenzen braucht es also? Gibt es eine Gefahr von Spätfrösten? Passen eher große oder eher kleine Kronen in den Betriebsablauf? Wie soll der Ertrag genutzt werden? Neben der Sortenwahl versuchten wir über andere Methoden beim Pflanzen den jungen Bäumen einen möglichst guten Start ins Leben zu ermöglichen. Aber bei den aktuellen Temperaturentwicklungen und dem mageren Regen blieb eines die ersten Jahre nicht aus: regelmäßiges Gießen!
Das Förderprojekt lief bis Ende 2023. Wir haben etwa 1200 Bäume geschnitten und 220 Bäume gepflanzt. Dabei bereicherte uns die Zusammenarbeit nicht nur auf den Flächen selbst, mit Eigentümer:innen und anderen Beteiligten, sondern auch im überregionalen Streuobstnetzwerk.
Mit ihrer Ober- und Unternutzung, mit dem Zusammendenken von naturschutzfachlichen und landwirtschaftlichen Aspekt stehen Streuobstwiesen für eine gelungene Zusammenarbeit von Menschen mit verschiedenen Perspektiven!